Zoran Drvenkar 

Bücher

Die Reihe Song of Fire & Ice von George R. R. Martin ist keine wirkliche Reihe, denn was der Mann anstellt, ist Charaktere ins Leben rufen und in einen Kosmos setzen, der so plastisch ist, daß man dort lebt und atmet. Die Reihe hat bisher vier Teile und der Verlag Blanvalet (Das Lied vom Eis & Feuer) hat aus jedem Buch zwei Bcher gemacht. Das nenne ich Business. Sie hätten jedes Buch auch wunderbar gebunden herausbringen können, stattdessen wurden daraus Taschenbücher mit gnadenlos schlimmen Fantasycover, die man nur in die Hand nimmt, wenn man von einem Einhorn getreten wurde. Die Amerikaner sind da dezenter gewesen, denn es ist Fantasy, aber auch nicht. Nennen wir es historische Fantasy, denn der Autor will nicht nur mit wilden Wesen, bunten Welten und irgendwelchen Leuten die von A nach B wollen locken. Er will den Leser in eine Welt einladen, die es so noch nicht gegeben hat und die mehr Machtintrigen enthält als so manche verzwickte Fernsehserie. Bei Herr der Ringe bin ich während des ganzen Armeemarschierens und Kriegsgeschehens ausgestiegen, hier war Aussteigen nicht möglich. Der Autor läßt sich viel Zeit mit seinen Hauptpersonen und davon gibt es pro Buch bis zu acht Stück. Anfangs dachte ich, mir wären das zu viele Charaktere, mit der Zeit hat sich das eingependelt und sie sind mir alle vertraut geworden. Diese Reihe ist definitiv eine Herausforderung und für ein halbes Jahr intensives Verschwinden gedacht. Band fünf erscheint hoffentlich bald. Schließt euch ein, lest und denkt nicht daran, daß es irgendwann enden muß.

Bleiben wir bei der Fantasy und begrüßen einen Neuling, der wie ein alter weiser Mann The Warded Man (in England: The Painted Man). Teil zwei ist abgeschlossen und erscheint im Herbst. In Deutschland heißt das Buch Das Lied der Dunkelheit und ist bei Heyne erschienen. Viel gibt es nicht zu sagen, mir wird sonst schwindelig vom Lob. Ähnlich wie bei George Martin wird hier eine Welt kreiiert, die eine Ausnahme in der Fantasy ist. Und ich bin wirklkich kein Fan des Genres, aber manchmal flammen hier und da Perlen auf, wie zum Beispiel ...

... der mich von den Füßen gefegt hat. Eine Seite reichte. Der Epos heißt im Original The Name of the Wind gilt und ist auf Deutsch bei Klett-Cotta unter Der Name des Windes erschienen. Wohlverdient hat es den deutschen Fantasypreis gewonnen. Rothfuss macht alles, was man sich in der Fantasy wünscht. Nur einmal gibt es am Strang fast 100 trübe Seiten zum Ende des Buches hin, wo unser Hauptcharakter um eine Frau herumschwarenzelt, das hätte sich der Autor sparen können. Darüber hinweggesehen: Ein Wunder von einem Buch.

Adieu Fantasy, welcome Reality. Als erstes habe ich Ammantis Roman Wie es Gott gefällt verschlungen und lag dann auf den letzten 150 Seiten matt in den Seilen, weil irgendwas in der Geschichte schiefging. Ich kann es nicht festnageln, plötzlich wurde gefaselt, plötztlich machten die Charaktere nur noch dumme Sachen und die Story verlief sich. Bis dahin war das Buch ein Traum, der Mann tat in seinem Schreiben Sachen, die wirklich einzigartig sind. Ich wollte mehr und las einen seiner ersten Romane. Fort von hier erscheint bei Fischer und wurde von vorne bis hinten der Treffer, den ich mir bei Wie es Gott gefällt erhofft habe. Italien und Sommer und Charakter, die einen berühren und zittern lassen.

Bleiben wir in Italien, bleiben wir bei dem Mann, den ich für eine Weile vergessen hatte und dann drückt mir meine Buchhädlerin Martina Arrividerci amore, ciao in die Hand und ich denke: Nee, was ist denn das für ein blöder Titel, und lese rein und denke: Nee, da habe ich doch schon mal reingelesen. Aber ich nehme das Buch mit, um Martina am selben Tag anzurufen und ihr zu sagen, was für ein Idiot ich bin. Der Idiot hier führt nämlich eine Buchliste, auf der sich alle Bücher befinden, die er gelesen hat und die ihm gefallen haben. Und wie ich so Zuhause hockte, dachte ich, ich schau mal nach, ob ich nicht doch schon was von Carlotto gelesen habe. Peinlicher geht es nicht. Arrividerci amore, ciao habe ich vor einem halben Jahr gelesen und vollkommen vergessen. Der nächste Schritt war, mehr von Massimo Carlotte zu lesen. Auch das ist jetzt getan. Lest einfach alles. Auch wenn sich seine Charaktere mit der Zeit ähneln, es ist eine Freude und ein Grauen ihnen immer wieder zu begegnen.

Und dann gibt es da Bernard Cornwell. Historische Romane waren noch nie was für mich, weil ich immer das Gefühl hatte, Ah, das tut einer, als ob er in der Vergangenheit lebt. Ausnahmen waren immer da - Michel Faber und dann natürlich Susanne Clarke mit ihrem traumhaften Buch Jonathan Strange & Mr Norrel, was im übrigen in der englischen Ausgabe Bleistiftzeichnungen für jedes Kapitel hat und in Deutschland dachte man sich, die brauchen wir nicht. Zurück zu Cornwell. Es gelingt ihm es seine Charaktere aufleben zu lassen, daß man sie atmen spürt, daß die Vergangenheit ein Eigenleben bekommt und zur Gegenwart wird. Mein Start war die Trilogie um König Arthus The Winter King & Enemy Of God & Excalibur (deutsch Winterkönig usw.). Alle drei Bücher sind ist etwas erfrischend Neues, denn man kennt so viele Arthus-Geschichten. Cornwell zeigt uns eine neue Seite. Go for it.

Willkommen im Weltraum. Ich les ja wirklich gerne, was mir in die Finger kommt. Sehr rar ist Science Fiction, es steht sogar unter Fantasy, denn wenn es so richtig losgeht mit Weltraum und Raumschiffen und Fachbegriffen und Reisen durch diesen oder jenen Kosmos, werde ich sehr schnell müde. Scalzi hat alles, was ich an SF liebe in ein Buch getan. Old Man's War (dt. Krieg der Klone) ist eine Melange aus so vielen alten SF-Geschichten, daß es eine Freude ist, sie neu zu entdecken. Das Buch ist der erste Teil eines Dreiteilers. Teil 2 war eine Enttäschung und an Teil 3 habe ich mich noch nicht herangewagt. Gregor meinte, der wäre okay. Teil 1 ist in sich abgeschlossen und ein Muß.

Und dann eine Stimme aus Skandinavien. Submarino ist einer von diesen dreckig realistischen Romanen, die an Filme wie Pusher erinnern und einem den rosigen Gedanken von einem urlaubsschönen Skandinavien stehlen. Gerade verfilmt und sehr zu empfehlen. Bengtssons Erstling Aminas Briefe liegt schon bei mir bereit.

Manchmal habe ich echtes Glück, was sich kurz darauf als miesestes Pech herausstellt, falls Pech mies sein kann. The Missing - auf Deutsch bei Rowohlt Victim, was mir wahrscheinlich nicht einmal der Verlag erklären kann, denn kurz darauf brachten sie einen späteren Roman von Mooney heraus und nannten ihn auf Deutsch Missing, obwohl er im Original Remembering Sarah heißt - ist ein handfester Thriller, der gute Wendungen hat und einfach atemlos ist. Mein Pech war, daß ich danach drei andere Bcher von Mooney probiert habe und sie waren alle lahm und wie man es von Thriler kennt - am Anfang wird viel aufgebaut und danach fällt der Ballon zusammen und das Gähnen ist groß. Aber zumindest ist es dieser Roman wert.

Eben ist Wie ein Mord geschieht auf Deutsch erschienen und ich habe ein wenig geweint, denn der Original-Titel lautet This is How und das Buch Wie ein Mord geschieht zu nennen, ist dämlich und einfallslos. Es ist ein sehr stilles, ein sehr gutes Buch. Was ihr auch von der Frau in Finger bekommt, ob Schlaflos oder Die Liste der Lügen, es lohnt sich. Und wenn es geht am besten auf Englisch lesen, sehr klar geschrieben, ohne Schnörkel.

Ich mag Nicholls Schreibe sehr und habe erst One Day (brilliant übersetzt als Zwei an einem Tag) gelesen und mich danach auf die anderen beiden Bücher gestürzt. Wenn man es so rum macht, sieht man wie One Day entstanden ist. Er mag seine Charaktere, er probiert gute Ideen aus, es ist eine Freude.